Autor: Andrea Walter
Filme wie „Conjuring“ oder „Poltergeist“ jagen schon mal den größten Skeptiker und Rationalisten die Gänsehaut über den Rücken. Doch gesunder Menschenverstand und Geister passen nicht zusammen. Trotzdem ist Europa die Hochburg der Spukgläubigen. Sogenannte Spukorte werden dokumentiert, Beratungsstellen für Geistergeplagte werden eingerichtet. Allein in Österreich soll es mehr als ein Dutzend Spukorte geben, darunter das Schloss Bernstein oder die Bundesstraße Pinzgau, wo eine unheimliche, schwarze Frau immer wieder in Erscheinung treten sein soll.
Die Geschichte vom „Geisterhaus“ des Philosophen Athenodorus ist wahrscheinlich die erste schriftlich dokumentierte Gespensterjagd. In diesem, von Athendorus gemieteten Haus in Athen, sind Bewohner nachts von einem alten Mann mit einer rasselnden Fußfessel heimgesucht worden. Aufgezeichnet wurde sie von Schriftsteller Plinius (61-113).
Ebenso bekannt, jedoch aktueller, ist die Geschichte vom Spuk in Rosenheim. 1967 kam es in der Anwaltskanzlei Adam, in Rosenheim, immer wieder zu unheimlichen Begebenheiten. Bilder an der Wand drehten sich und Glühbirnen zersprangen. Die Männer der Stadtwerke registrierten, trotz intaktem Stromnetz, starke Spannungsschwankungen. Den Büroangestellten fiel auf, dass diese Vorfälle immer dann auftraten, wenn ihre Kollegin Annemarie S. anwesend war, woraufhin Parapsychologe Prof. Hans Bender eingeschalten worden ist. Da Annemarie S. nie der bewussten Manipulation überführt werden konnte, gilt der Fall offiziell nach wie vor als ungeklärter Top-Spukfall.
Physiker und Psychologe Dr. Walter von Lucadou gilt als der führende Forscher auf dem Gebiet der Parapsychologie. In seiner parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg werden jährlich etwa 3.000 Beratungs- und Informationsanfragen bearbeitet, mehr als 100 Informationsveranstaltungen sowie eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt. Doch was bringt Menschen dazu an Geister oder Spuk zu glauben oder sie gar wahrzunehmen?
Pestkapelle bei Weilheim in Bayern. Ein Ort der Gruselphantasien anregt.
Vermutlich hat fast jeder Mensch in seiner Jugend einmal Erfahrung mit Pendeln oder Gläserrücken gemacht. Mit dem Enden der Kindheit werden die letzten, mystischen Geheimnisse, vom Storch der die Babies bringt oder dem Christkind, gelüftet. Die Sehnsucht nach Spannung und Magie versucht man durch Okkultismus zu stillen. Auch Trauernde haben häufig eine Affinität zu Okkultem. Sich dem Gedanken hinzugeben, der Verstorbene wäre anwesend und er würde versuchen mit einem zu kommunizieren, kann als Teil der Trauerbewältigung durchaus tröstlich sein. Der Wunsch nach „mehr zwischen Himmel und Erde“ macht empfänglich für die Wahrnehmung vermeintlicher Paranormalitäten und Selbstmanipulation. Leider werden damit auch dubiose Geschäftszweige von „Sehern“, „Jenseits-Reiseveranstaltern“ und anderen Scharlatanen angekurbelt.
Temperaturunterschiede, der Wechsel von Lichtverhältnissen oder Zugluft, gepaart mit einer bestimmten Erwartungshaltung, verstärken den Eindruck der Geistererfahrung ebenso wie tiefe Töne bzw. Infraschall, wie in Spukempfindungs-Experimenten nachgewiesen werden konnte. Die eigentlichen Geistergeschichten reimt sich das Gehirn zusammen. Das menschliche Denkorgan ist darauf ausgerichtet, nach Erklärungen für das zu suchen, was rundherum geschieht – eine wichtige Fähigkeit auch für das zwischenmenschliche Miteinander. Dabei kann es jedoch zur Überinterpretation neigen, bei der unbelebten Objekten eine Handlungsabsicht zugeschrieben wird.
Die Hirnforschung versucht seit Jahren den Gründen dieser trügerischen Wahrnehmung auf den Grund zu gehen. Dabei versuchen Forscher Geisterphänomene künstlich im Labor, in selbst errichteten „Spukräumen“ zu erzeugen. In einem Experiment wurden Versuchspersonen die Augen verbunden und sie mussten mit ihren Händen willkürlich eine Art Steuerknüppel an einer mechanischen Apparatur bedienen. Diese Bewegungen wurden elektrisch an einen Roboter übertragen welcher in Echtzeit die gleichen Bewegungen am Rücken der Probanden ausführte. Alle Personen hatten das Gefühl sich selbst zu berühren. Ihre Wahrnehmung änderte sich jedoch, als der Roboter alle Bewegungen mit einer Verzögerung von 500 Millisekunden tätigte. Das Gehirn war irritiert und die Probanden hatten das Gefühl einer „Anwesenheit“. Einige von ihnen forderten den Abbruch des Experimentes, obwohl ihnen die Hintergründe dieses Versuches bekannt waren.
Illusionen von Geistern lassen sich künstlich herstellen, wenn man das Gehirn mit widersprüchlichen Sinneseindrücken überfordert. (Foto: Alain Herzog)
Beteiligt an der Eigensuggestion sei womöglich der Schläfenlappen im menschlichen Gehirn, glaubt Christopher French von der Goldsmith University of London. Diese Hirnregionen erfüllen Aufgaben beim Hören, Sprechen, Sehen und beim Abspeichern von Informationen. Die Regionen können auch das Zentrum epileptischer Anfälle sein. Neurologe Olaf Blanke machte im Zusammenhang mit den Schläfenlappen eine erstaunliche Entdeckung. Während einer Epilepsie-Diagnostik setzte der Wissenschaftler einer Patientin Elektroden ins Gehirn. Als er auf diese Weise den Rand der linken Schläfenlappen stimulierte, glaubte die Frau, hinter sich eine unsichtbare Person wahrzunehmen. Bereits im Jahr 2002 machte French eine ähnliche Beobachtung. Fachleute sprechen bei solchen Erfahrungen von Heautoskopie – einer speziellen Form der visuellen Halluzination. „Manchmal kommt das Gehirn bei der Unterscheidung zwischen „Selbst“ und Außenwelt durcheinander.“ Sagt French. Geistergestalten und Spukwesen sind demnach eine Fehlwahrnehmung des eigenen Körpers. Forscher sprechen bei dieser Erfahrung von „Feeling of presence“ welche auch Reinhold Messner 1970, beim Abstieg des Nanga Parbat, verspürte. Extremsituationen wie Sauerstoffmangel oder Hunger begünstigten dabei das „Gefühl von Anwesenheit“, die Messner als die Gegenwart einer unsichtbaren dritten Person beschreibt.
Auch Übermüdung kann dazu führen, dass die Nervenzellen unkontrolliert feuern und damit Trugbilder von Engeln, Gotteserscheinungen und Geistern produzieren. Nicht umsonst spricht man von der nächtlichen Geisterstunde. Hierbei vermuten Forscher, dass Träume an der Grenze zwischen Schlaf und Wachzustand beim Menschen großes Erschrecken auslösen können. Man spricht hierbei auch von lebhaften Traumbildern – den hypnopomben Halluzinationen, die in der Aufwachphase auftreten, welche den Betroffenen nicht zwischen Realität und Traum unterscheiden lassen.
Sich zu gruseln kann wunderbar sein und die menschliche Phantasie hält die spannendsten Gruselgeschichten parat. Aber seien wir uns darüber im Klaren, dass vermeintliche Gespenster die Hirngespinste unseres Denkapparates sind. In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern einen schaurig schönen Herbstbeginn.
Zum Weiterlesen:
Anzellotti, F. et. Al: Autoscopic phenomena: case report and review of literature. Behavioral Brain Functions. 2011; 7(1):2.
Arzy S. et al.: Induction of an illusory shadow person. Nature. 2006; 443:287.
French, C.C. et. al.: The “Haunt” project: An attempt to build a “haunted” room by manipulating complex electromagnetic fields and infrasound. Cortex. 2009; 45(5):619–629)
Weitere Quellen:
http://www.hoaxilla.com/hoaxilla-192-der-spuk-von-rosenheim/
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