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Autor: Andrea Walter

Die Bezeichnung „Lebensabschnittspartner“ hat sich nicht nur im heutigen Sprachgebrauch etabliert, sondern prägt auch unser gegenwärtiges Liebesleben. Ein flotter Partnerwechsel ist allem Anschein nach, nichts mehr das man sonderlich in Frage stellen müsste. Filmreif inszenierte Worte und theatralische Liebesschwüre werden ebenso rasch ausgesprochen, wie sie wieder verpuffen, und trotzdem erscheinen, diese Liebeskurzurlaube, vielen von uns erstrebenswerter als das Alleinsein. Doch unser Lechzen nach wahrer Liebe, die uns in allen Belangen erfüllt, die uns alles gibt und uns gleichermaßen alle nötigen Freiheiten lässt, steht vor einer Hürde. – Denn „Den Einen“ oder „Die Eine“ aus 7 Milliarden Menschen auf diesem Planeten herauszufinden, oder gefunden zu werden, gleicht einer Abstrusität – einem blinden Graben nach Gold.

Doch wie oft im Leben gibt es sie, die „Wahre Liebe“? Gibt es sie überhaupt? Wissenschaftler bejahen dies definitiv, denn das Gesetz der Evolution sagt, dass die Lebensliebe nicht für uns geboren wird, wie wir es uns so gerne romantisch vorstellen, sondern, dass wir selbst es sind, die sie produzieren, und zwar bei jedem potentiellen Partner aufs Neue, wenn unsere Hormone die Fortpflanzung anpeilen. „Liebe ist kein Zufall“ lautet das Motto eines Unternehmens, welches verspricht, den richtigen Partner mithilfe eines Gentests zu finden. So interessant die Vorstellung auch sein mag, stellt sich die Frage, ob sich die Liebe, trotz aller nachvollziehbaren biochemischen Gesetze denen sie unterliegt, tatsächlich im Reagenzglas mischen lässt.

Doch wie erkennen wir die „Wahre Liebe“? Sind wir beim Tragen der rosaroten Brille denn nicht immer davon überzeugt, den Menschen unseres Lebens getroffen zu haben? Kehrt der Alltag ein, rutschen wir von der einen Partnerschaft jedoch rasch in die nächste – wieder fest davon überzeugt, im Bahnhof „Happy End“, unseres perfekten Liebesmärchens angekommen zu sein. Ist die „Wahre Liebe“ temporär und das „Happy End“ in Wahrheit so veraltet wie das Papier, auf den einst die Gebrüder Grimm ihre schönen Geschichten von ewig währender Liebe geschrieben haben?

Der Alltag lässt die Farben, der anfangs so heißblütig entfachten Liebe, oft fahl aussehen. Wir bewegen uns auf einer stetigen Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz, zwischen der Fähigkeit genug geben und offenherzig annehmen zu können –im besten Fall richtig dosiert mit der nötigen Geduld, ein gelegentliches Ungleichgewicht zu tolerieren, ohne wiederum die eigenen Bedürfnisse aufzugeben. Wir balancieren zwischen einander Festhalten und einander Freiraum geben; zwischen der Aufgabe jedem wunderbaren, kleinen Detail am anderen Aufmerksamkeit zu schenken und gleichermaßen über dessen Unzulänglichkeiten hinwegsehen zu können. Trotz aller Bemühungen – Die Zeit scheint das anfängliche Gefühl von Liebe und dem Wunsch nach Ewigkeit, trotz aller Bemühungen, über einen längeren Zeitraum hinweg tropfenweise zu vergiften – als würde das Schicksal eine Auslese für uns treffen, der wir machtlos und oftmals verständnislos gegenüberstehen.

Doch wenngleich uns viele Partner, mehr oder weniger positiv, durchs Leben begleiten, so gibt es für viele von uns den Einen, den ganz speziellen Menschen, der uns auf eine ganz besondere Art und Weise berührt. Diesem Menschen muss keine definierte Rolle zugeordnet sein, und es gibt vielleicht auch keine großen Geschichten die sich über ihn erzählen ließen. Vielleicht liegt die Begegnung mit ihm schon viele Jahre zurück. Möglicherweise weiß er nicht einmal, wie lange er bereits stiller und heimlicher Begleiter in unserem Herzen ist. Doch wir wissen es, wir spüren es deutlich, jedes Mal wenn der Gedanke an ihn wie ein verheißungsvolles Klavierstück in uns klingt.

Es sind nicht die großen Geschichten, auch nicht die unendlichen Gemeinsamkeiten und Rationalitäten, die Menschen zu unserer Lebensliebe machen. Es ist nicht die Wucht mit der die Liebe auf uns trifft, sondern die Zartheit mit der sie uns berührt und damit dauerhaft ihre kleinen Wellen schlägt. Es sind weder die lauten Momente, noch ist es die wilde Euphorie unter deren Rausch wir die echten Liebesbeteuerungen hinaus rufen. Es ist vielmehr die stille, unendliche Sehnsucht, die wir in jeder Stelle unseres Körpers fühlen, wenn wir uns an diesen Menschen erinnern, an ihn denken, oder wenn wir ihm – im besten Fall – gerade jetzt, in diesem Augenblick, in die Augen sehen und ihm die Worte sagen, die für den Moment alles besiegeln und trotzdem nichts garantieren: Ich liebe dich…vielleicht für immer.

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