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Ortsende_Glauben

(Autor: Andrea Walter)

Dieser Beitrag wurde auch hier publiziert: http://de.richarddawkins.net/articles/fehlt-etwas-wenn-man-an-gar-nichts-glaubt

Ich glaube nicht an Götter, nicht an den Osterhasen, nicht an die Wunderheilung, nicht an die Zahnfee. Da könnt ich doch auch gleich an das Fliegende Spaghettimonster glauben!  „Fehlt dir in dieser ohnehin zu rationalen Welt nicht etwas, wenn du an gar nichts glaubst?“, werde ich immer mal wieder gefragt. Ja, fehlt mir denn etwas? Ist unsere Welt überhaupt zu rational? Und warum wird das Glauben derartig glorifiziert, während das Wissen als überheblicher Schnösel daherkommt?

Menschen die von einer überrationalisierten Welt sprechen, meinen, bei genauerem Betrachten, in Wirklichkeit oft die schnell voranschreitende Technologisierung oder den Kapitalismus. Denn wenn die Hälfte aller Deutschen und Österreicher meint, Bachblütentherapie und Heilpraktiker wären eine Alternative zur evidenzbasierten Medizin, wenn eine nicht gerade kleine Minderheit annimmt, mit dem Jenseits Kontakt aufnehmen zu können, wenn Homöopathen mit Globuli ausgestattet den Kampf gegen Ebola aufnehmen wollen, und wenn Politiker mit rechter Gesinnung eine Chemtrail-Gefahr propagieren, dann zeigt das auf, wie wenig rational unsere Gesellschaft im Allgemeinen denkt und handelt.

Ideologien und Irrationalismen sind in der bürgerlichen Gesellschaft Teil des alltäglichen Bewusstseins. Die Wirklichkeit des Möglichen regiert das Denken der Menschen, doch im Abschätzen von Wahrscheinlichkeiten ist der Mensch bekanntlich nicht gut. Es liegt in unserer Natur, hohe Wahrscheinlichkeiten zu unterschätzen und niedrige Wahrscheinlichkeiten zu überschätzen.

Die Welt ist oft nicht so, wie es die Menschen gerne hätten. Das Leben ist unsicher, da es nicht vorhersehbar ist. Zudem ist es oft unschön und ungerecht. Der Rationale nimmt es an, weil so manch persönliches Schicksal eben ist wie es ist. Der Religiöse versucht sich selbst durch Beten und Buße aus seiner vermeintlich selbst verschuldeten Misere zu führen, und der Esoteriker bedient sich allerlei kruder Hilfsmittel, die von positivem Denken bis zum Energietanz reichen. Dabei sollte man annehmen, idealistische Theorien müssten sich zwangsläufig in unserer Gesellschaft blamieren, tun sie aber nicht. Was sich  nicht durchsetzen kann, wird regelmäßig durch eine neue Spinnerei ersetzt.

Sich dem religiösen und esoterischen Glauben hinzugeben erfordert das Ausblenden der Vernunft des Bestehenden. Die Welt muss nicht zwingendermaßen erkannt und erforscht werden. Vielmehr soll sie gefühlt und intuitiv durchschaut werden. Evolution und Naturgesetze sind Widersprüche, die überwunden werden können, denn Ideologien beziehen sich auf den Schein der Dinge und nicht auf Gesetzmäßigkeiten. Ein „Es ist eben so wie es ist“, reicht als Erklärung nicht aus, demnach müssen höhere, machtvollere, leicht erklärbare mystifizierbare Gesetzmäßigkeiten kreiert werden.

Das idealistische Glaubensbild ist also die Strategie, sich ein Stück aus der gegenwärtigen Misere zu retten und sich vor der zukünftigen zu schützen. Es setzt dem Ist-Zustand sein rosa, glitzer Idealbild und den Zutritt zum Himmelsparadies entgegen. Die esoterische Ideologie, in der jeder seines Glückes Schmied sei, verleiht dem Menschen das Gefühl von Macht, von Selbstbestimmtheit und auch von Individualität und einer Ganzheitlichkeit die nach Bedarf mit beliebigen Inhalten gefüllt werden kann, während Religionen, in denen der Schmied erst durch ausreichend beten milde gestimmt werden muss, zunehmend ausdienen.

Da die Realität nicht umgeschmissen werden kann, müssen sich kosmische Entität, Gotteskräfte und höhere Wahrheit im sicheren Umfeld betten. Denn es kann ungemütlich werden, wenn Wissenschaft und Logik daran rütteln und auf die Zusammenhänge von Kapitalismus und Machtspielen, die mit Ideologien einhergehen, aufmerksam machen. Umgekehrt ist es so, dass der Irrationalismus für die Rationalität keine ernstzunehmende Bedrohung darstellt, denn irrationale Thesen lassen sich widerlegen, solange unsere erarbeiteten, rationale Maßstäbe nicht von einer ideologisierten, glaubensgeprägten Beliebigkeit untergraben werden.

Wer von Gott, von höheren Mächten – dem Absoluten – spricht, spricht von allem, von nichts bestimmtem, damit von Nichts. Das mächtigste, höchste, allgemeinste Prinzip entpuppt sich als leeres Gerede.

Nein, es fehlt mir nicht an diesem beliebigen Nichts. Ich möchte die Dinge wissen, möchte eins sein mit der Natur , nicht spirituell, sondern durch das Verstehen  ihrer rationalen und zugleich wunderbaren Gesetzmäßigkeiten. Sie sind meine Grundlage und meine Orientierung, die keine X-beliebige, austauschbare Weltanschauung ins Schwanken bringen kann. Die Naturgesetze sind meine Himmel und meine Erde, das „Mehr dazwischen“ – von dem oft sinnentleert gefloskelt wird –  sind die schönen, greifbaren Dinge, die diese Gesetze hervorgebracht haben: Liebe, Erotik, Kunst, Poesie, Phantasie, Schönheit, Duft.

 

 

 

8 Kommentare zu “Fehlt etwas, wenn man an gar nichts glaubt?

  1. Hallo Frau Walter, das ist ein sehr gelungener Artikel, den ich voll und ganz auch so sehe. Schmunzeln musste ich aber, als ich Ihren letzten Satz laß: „…die diese Gesetze hervorgebracht haben: Liebe, Erotik, Kunst, Poesie, Phantasie, Schönheit, Duft.“ Das ist ein wunderbarer, schöner, gutgemeinter Glaubenssatz. Ein Glaubenssatz weil es eben noch nicht erwiesen ist, das unsere Naturgesetze diese Dinge wie Liebe, Erotik, Kunst, etc. hervorgebracht haben. Das ist aber typische menschlich. Wir wünschen uns immer eine schlüssige Erklärung gerade für schreckliche oder für schöne Dinge. Wenn wir keine erlangen, dann basteln wir uns einfach eine. So entstehen Ideologiene und Religionen. Und wenn es nur der Glaube ist, dass unsere Naturgesetze die Liebe etc. geschaffen haben. Schön wäre es, aber bewiesen ist es nicht und wird es sehr wahrscheinlich auch nicht. Macht nichts.
    Mit freundlichem Gruss
    Gunther Swinke

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  2. „Die Naturgesetze sind meine Himmel und meine Erde, das “Mehr dazwischen” – von dem oft sinnentleert gefloskelt wird – sind die schönen, greifbaren Dinge, die diese Gesetze hervorgebracht haben: Liebe, Erotik, Kunst, Poesie, Phantasie, Schönheit, Duft.“ Ich kann gut damit leben, wenn jemand nicht an Gott glaubt, aber zu behaupten, dass Kunst, Poesie, Liebe eine reine Sache der Naturwissenschaften sind, halte ich für agumentativ nicht lauter.

    Vieles in der Kunst beschäftigt sich mit Themen, die mehr oder weniger weit von der Naturwissenschaft entfernt sind. Und Poesie und Kunst lebt von den Dingen, die außerhalb dessen liegen, was durch Rationalität und Naturwisssenschaft definiert wird. Es sei denn, Sie zählen Architekturzeichnungen und Sachbücher zu Kunst und Poesie.

    Gefällt 1 Person

      • Entschuldigung für die späte Antwort. 1. Konstruktion setzt eine Logik dahinter voraus. 2. Geht auch der Rest der nicht besser auf meinen Kommentar ein. Das wäre genauso als wenn ich jetzt schriebe: Ohne Gott gäbe es keine Naturwissenschaft.

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  3. siehe Urknall : Wasserstoff und Helium entstehen , Gase verdichten sich zu Sonnen , in diesen entstehen durch Fusion die dichteren Elemente , zB. Kohlenstoff , die Grundlage unsers Lebens ; alles physikalische und chemische Vorgänge , die auch unsere biologische Welt hervor gebracht hat ! Liebe ! : eine Kaskade von chemischen Vorgängen ! Genie und Wahnsinn , je nach dem die Synapsen sich miteinander vernetzen , alles physikalische und chemische Vorgänge … es klingt wirklich nicht sehr romantisch ,was mit unseren Körpern passiert . aber ist das nicht gerade das Wunder , das mit uns passiert , und welcher Grössenwahnsinnige will danach behaupten ,dass er das gemacht hat ?

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  4. Pingback: Fehlt etwas, wenn man an gar nichts glaubt? | hubwen12

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